Mit dem Clicker durch die Pubertät 2
von Sabine(YCH) am 30. März 2001 08:26
Nun gut, auf vielfachen Wunsch ...
Die Erkenntnisse, was es überhaupt bedeutet, einen Hund mit dem Clicker aufzuziehen und eben durch die Pubertät zu begleiten, kamen so nach und nach, fügten sich zusammen. Folgende Eigenschaften kamen mir dabei zugute :
1. Ich hasse Gewalt;
2. Ich bin eine im Jahr des Hasen geborene (chinesisches Horoskop);
3. Wenn ich was anfange, mach ich es richtig oder ich schlampere im vollem Bewußtsein;
Also, einen Clicker in die Hand zu nehmen, bedeutet erst mal nur, man kann ein Geräusch damit machen, aber die gesamte Erziehung auf Versuch und Irrtum aufzubauen, das ist schon ein gewagter Schritt, du solltest es dir vorher überlegen, denn die Umwelt wird gegen dich sein.
So manche Stunde saß ich grübelnd einfach in der Gegend herum, scheinbar sinnlos.
Der Freilauf
Was ich am meisten übe, ist das zuverlässige Zurückkommen und die Leinenführigkeit in allen Variationen. Mit einem Hund ohne Leine zu laufen setzt voraus, dass man ihn zu sich rufen kann, wann immer die Situation es erfordert, dass ist der Maßstab. Es kam also wie es kommen mußte, ich konnte für nichts garantieren (innerhalb menschlicher Ansiedlungen). Es ging nichts mehr, es ist oberpeinlich, wenn der Hund durchbrennt um eine Katze nach hause zu bringen oder nachschaut, was denn die Leute so auf ihre Komposthaufen tun. Ein Gefühl der hilflosigkeit machte sich bei mir breit, nun ich gebe zu, ich wurde sauer, wütend, ein zwei mal habe ich den tugendhaften Weg verlassen und schmiß meinem Hund einige Brüller und auch mal andere Dinge hinterher. Wer denkt, dass das nichts bringt, der irrt. Es brachte etwas, nämlich die Erkenntnis : Es bringt nichts. Ein schmerzhafter Lernprozess setzte sich mühsam in Gang. Ich fuhr irgendwo hin, wo wir fremd waren und lief wortlos zickzack durch den Wald. Das einzigste, was man hörte, war der Click, wenn Oscar von alleine meine Richtung einschlug. Die 10m - Leine mußte ihren Dienst tun. Da muß ich allerdings zugeben, dass ich da schon einige Probleme hatte. Ich wollte meinem Mann schon den Vorschlag machen, dass er mir heimlich folgen sollte um Videoaufzeichnungen zu machen, um diese dann Gewinnbringend zu vermarkten bei "Versteckte Kamera" oder so. Ihr müßt euch vorstellen, ein völlig planlos durch die Gegend sprintender Hund, der ständig und unvorhersehbar die Laufrichtung wechselt, sich dabei mit der Leine um Wurzeln und Gestrüpp wickelt, nicht zu vergessen die Beine des Alphas. Nun das einzigste Problem war : wir haben keine Videokamera. Man, was hab ich geflucht. Die Krönung waren dann einige Abendspaziergänge im dunkeln, nee, nicht durch den Wald, Aber durch eine unbeleuchtete Wochenendsiedlung. Vorneweg mein Mann mit unserer Hündin, meine anfägliche und bewußt gewählte Führungsposition mußte ich aufgeben, denn das Trainingsprogramm verbot mir ein weitergehen an straff gezogener Leine. Und so stand ich im dunkeln, mittlerweile alleine, warteten, dass mein hund sich von Spuren löste, um dann mit zunehmenden Geschick die Leine von den Büschen zu wickeln, die fleißige Hobbygärtner an den Wochenenden mit viel sorgfalt und Liebe in ihre Vorgärten gepflanzt hatten. Auch am See konnte ich mittlerweile nur noch mit langer Leine gehen, denn Oscar stöberte vor sich hingammelde Fische und andere Leckereien auf, mit denen er sich dann aus dem Staub machte, um sie in sicherer Entfernung zu verspeisen. Aber, kaum hatte ich meinen Hund wieder unter Kontrolle, konnte ich wieder frei durchatmen, positiv denken und handeln, konnte wieder aktiv werden, anstatt immer nur wie blöd dazustehen und zu fluchen.
Und dies war eine weitere Erkenntnis : Wenn sich das Gefühl der Hilflosigkeit breitmacht, dann muß man aktiv werden, der Mensch muß die Maßstäbe setzen. Es nützt nichts ,wenn ich stundenlang über meinen ungehorsamen blöden Hund fluche, das zerstört vertrauen und bindung. In dem Moment, wo ich die Ressoursen unter Kontrolle habe, meine innere Ruhe und Gelassenheit ausstrahle auf meine Hund, da läuft es . Natürlich darf man nicht vergessen, die Ansprüche entsprechend anzupassen, dann klappts auch mit den Erfolgen. Man muß schon bereit sein, zurück zu gehen in den Kindergarten.
Übrigens, ich bin jetzt noch bei der "immerbestärkung" beim Abrufen. Manchmal bin ich selbst ertaunt, dass Oscar sofort und im Affentempo kommt. Er belohnt mich variabel. Ich habe gelernt, nur einmal zu rufen, dann geh ich los, in eine andere Richtung, zähle bis zehn und mache Atemübungen. Ich habe gelernt, einzuschätzen, wann es total Sinnlos ist, ihn zu rufen, habe so verschiedene Taktiken entwickelt. Sehr wirkungsvoll ist zB., dass ich anfange zu buddeln und zu schnüffeln, und da finden sich wie durch ein Wunder leckere Sachen ... .
Eines gibt es allerdings noch, was ich erzählen möchte. Es ist nicht witzig, von einem fast-40-kilo- Hund angesprungen zu werden, also richtete ich eine meine Anstrengungen genau in diese Richtung, mit Erfolg. Bis zu dem Moment, wo sich einige Leute einbildeten, unbedingt mit ihm reden zu müssen Er unterhält sich gerne mit Leuten. Das erste mal passierte es, als ich zu spät eine ältere Dame mit Hund im Wald bemerkte. oscar zurück zu rufen hätte keinen Sinn mehr gehabt, ich spurtete also wortlos vorbei, er sah sonst immer kurz nach dem rechten und kam sofort hinter mir her. Da hört ich aber hinter mir : "ach mein guter ist ja gut nun geh mal schön zu frauchen na so ein feiner" Ich pfiff, er kam - um nach dem Click sofort wieder zu der netten Dame mit Hund zu sprinten. Natürlich hat er sie angesprungen. Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, wie ich damit umgehe.
Sabine
PS: Übrigens, es gab eine Zeit, da hat mein Mann gesagt : Warum können wir nicht einfach mal nur so laufen und uns normal unterhalten ? Ich war (bin) nämlich ständig am juchsen und springen und werfen und suchen .... Jetzt sagt er : es ist ein toller Hund.