von Christine(YCH) am 15. Juni 2003 10:28
Hallo Mary!
Ich kann dich, sagen wir mal, relativ gut verstehen. Aber ich würde es bei dem Hund weder mit Bachblüten, noch auf keinen Fall (!) mit Futter versuchen. Ich habe nichts gegen Bachblüten, im Gegenteil, aber in diesem Fall wären sie am falschen Platz. Wer hier die Bachblüten wirklich braucht, das bist du, und nicht dein Hund. Du hast nämlich das Glück, dass du offenbar einen relativ instinkt- und wesensicheren Hund hast. "Die spinnt ja, ein instinkt- und wesenssicherer Hund würde doch mit keinem anderen kämpfen!" Denkst du vielleicht jetzt. Aber doch, es ist so: Aggression gehört nun mal zum Hund. Nicht übermässige, aber sie ist eben da. Nur allzu oft vergessen wir einfach, dass unser Hund eben immer noch ein echtes, relativ grosses RAUBTIER ist, und kein netter Schossplüschtiger. Ich denke, du weisst, dass du deinen Hund nur noch mehr zum Kampf anstachelst, wenn du nervös wirst. Ich weiss, das hilft dir jetzt gerade überhaupt nichts, aber zu den Lösungstipps komme ich später. Jedenfalls ist es ja so, dass wir uns auch nicht mit jedem verstehen, der uns begegnet. Gut, zwischen uns und dem Hund steht natürlich dieser feine, aber deutliche Unterschied dessen, was wir Zivilisation nennen. Deshalb gehen wir eben nicht auf den anderen los. Ich will auf gar keinen Fall Kämpfereien "schönreden", je weniger es gibt, desto besser. Ich will nicht sagen: "ach lasst die Viecher doch kämpfen, die sind ja selber schuld". Dem ist nämlich nicht so. Ich wollte dir ja eigentlich von wesensicheren Hunden etwas erzählen. Ein instinkt- und wesenssicherer Rüde, der pöbelt manchmal, der streitet sich manchmal, der kämpft vielleicht sogar manchmal. ABER: wenn zwei wesens- und instinktsichere Rüden miteinander kämpfen, so tönt das unglaublich brutal und man hat wirklich das Gefühl, dass die beiden einander regelrecht auseinandernehmen. Ich mag mich noch erinnern, dass ich vor einiger Zeit mit einem unkastrierten Rüden unterwegs war und auf einen anderen unkastrierten Rüden traf. Die beiden begannen nach dem inspizieren einen Kampf. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich diesen Hund nicht mehr lebend nach Hause bringen würde. Der andere hatte ihn immer am Ohr und an der Kehle genommen. Als die sich dann schlussendlich trennten, meiner war der Unterlegene, inspizierten wir die beiden Hunde: keiner hatte eine wirkliche Schramme. Unglaublich, aber es ist dennoch bei den meisten Rüdenkämpfen so. Die sind dann nacher ermüdet und wirklich kaputt, aber Rüden führen oft sog. Kommentkämpfe, das heisst, man stösst sich, man boxt sich, man schnappt mit den Kiefern, packt den anderen vielleicht irgendwo, aber immer so, dass es ihn nicht verletzt. Genau das hast du ja auch erlebt. Es ist zwar sehr schwierig, aber versuche einmal "einfach" wegzuschauen wenn andere Hunde kommen. Denk ganz fest: "Es ist mir ja sooo egal, was da kommt, meine Hunde sind sicher und ich vertraue ihnen." Achte NICHT auf die Hunde. Ruf sie nicht, sprich nicht mit ihnen. Damit machst du erstens dich ruhiger, und zweitens erreichst du noch etwas sehr wichtiges: Wenn du dich aufführst, wie du dich fühlst, wenn hunde auf dich zukommen, also sehr aufgeregt und nervös, dann merken das die Hunde an deiner Körpersprache und deiner Stimme. Du weisst ja auch, dass du wenn du ruhiger bist, du sogar brenzlige Situationen abkühlen kannst. Wenn du nun so nervös und aufgeregt, bist, so merken das natürlich die Hunde und werden selber aufgeregt. Denn du, ihr Rudelführer hast Angst! Dann muss ja was unglaublich schreckliches auf euch alle zu kommen! Genau so denkt der Hund und wappnet sich gegen alles was da kommen mag. Es geht ihm jetzt um Selbstverteidigung, so in der Art: wenn mein Frauchen das nicht mal mehr schafft, dann muss ich halt ran... obwohl er das vielleicht gar nicht will. Du "treibst" ihn also mit deinem Verhalten in diese Enge und er hat das Gefühl, er müsse jetzt kämpfen. Bist du aber ruhig und besonnen, gehst seelenruhig um die andere Hündin herum, und tust so wie wenn "es geht mich alles ühühühüberhaupt nichts an, es ist mir ja soooo egal, was du da tust." Dann übermittelt sich das auch auf deinen Hund und der denkt: "wow,die weiss ja voll, was sie will, das ist ein echter Führer für mich". Der hund wird sich dir anschliessen. Ich hoffe, dass das jetzt verständlich war für dich. Natürlich, das ist ja wirklich schwierig, aber versuche dich richtig zu freuen, wenn ein fremder Hund auf euch zukommt. Vielleicht kannst du ja dann denken: "hey, genial, jetzt kommt wieder ein neuer Hund, und ich kann zeigen, wie ich toll cool sein kann und ich möchte unbedingt sehen, wie mein Hund reagiert, juppie!" Falls es dann zu einem Kampf kommt, GEH WEG! Lass deinen Hund "einfach" allein! Wenn der dann merkt: Hilfe, wo ist mein Frauchen? Hups, die interessiert sich ja für etwas völlig anderes... ich muss unbedingt mal nachsehen, ob sie was spannendes entdeckt hat..." dann wird er dir folgen. Mit der Zeit kannst du seelenruhig an allen anderen Hunden vorbeigehen... bestimmt! Die einzige Voraussetzung ist, dass du ruhig bleibst, und dich auf die Begegnung freust und aber immer schon weitergehst, ohne dich umzublicken, was die Tiere tun.
Noch ein Satz zu dem, was dir auch schon empfohlen wurde: den Hund mit Futter abzulenken: Tu das bitte nicht! Der andere Hund wird merken, dass du da was ganz toll feines hast und wird herankommen. Deiner aber, der denkt sich:"gehts irgendwie noch?! Mir mein Futter stehlen?" Und dann geht der Kampf erst richtig los. Dieses Phänomen nennt man Futterneid. Lass Futter, Spielzeug und alles, was der Hund verteidigen könnte, weg. Wie gesagt. Geh weg von dem Geschehen. Das ist wirklich schwierig, ich weiss, aber versuchs! Es wird nicht beim ersten Mal klappen (vielleicht aber ja schon!) aber vielleicht beim dritten oder vierten Mal!
Ich hoffe, ich habe mich verständlich ausgedrückt. Sonst darfst du dich natürlich gerne wieder bei mir melden!
Lieber Gruss
Christine