von Cindy(YCH) am 25. Juli 2002 19:51
Hallo Simone,
na ja, versuchen, Dir kurz was zu erklären, kann ich ja mal. Eigentlich ist es ja doch nicht so nett, einfach zu sagen, lies das Buch, und gut.
Das Verhalten eines Hundes wird durch das bestimmt, was direkt im Anschluss an das Verhalten passiert. Innerhalb einer Verknüpfungszeit von ungefähr einer Sekunde. Unter Ablenkung auch weniger. Dabei gibt es bestärkende "Einwirkungen" und hemmende "Einwirkungen".
Zu den verstärkenden Einwirkungen gehören die "positive Verstärkung" und die "negative Verstärkung". In diesem Fall sind positiv und negativ nicht wertend gemeint, sondern im mathematischen Sinn mit hinzufügend und wegnehmend.
Bei der positiven Verstärkung wird etwas angenehmes hinzugefügt. Also z.B. Leckerli, Spiel. Also, Hund macht etwas richtig, bekommt ein Leckerli. Kann er das "richtige" Verhalten mit dem Leckerli verknüpfen, wird er dieses Verhalten öfter zeigen. Soweit klar? DAs ist das Prinzip, das hinter dem Clickertraining steckt, wobeid das allerdings nicht alles ist.
Bei der negativen Verstärkung wird etwas unangenehmes weggenommen. Z.B. Druck auf das Hinterteil, damit Hund sich setzen soll. Wenn Hund sich setzt, wird der Druck weggenommen. Der "belohnende" Effekt ist weniger das verbale Lob des Menschen, das auf das "korrekte" VErhalten folgt, als vielmehr das Entfernen des unangenehmen Drucks. Das heisst letztendlich, dass Hund auch bei der konventionellen Ausbildung dem Menschen nicht folgt, weil "Mensch Rudelführer" ist, sondern weil Hund gelernt hat, dass er diesem unangenehmen Druck nur entgehen kann, wenn er sich hinsetzt.
Im Prinzip kannst Du dir jetzt ausrechnen, auf welche Weise dein Hund lieber lernt. Im Endeffekt hat beides nichts damit zu tun, dass Du Rudelführer bist, sondern dass etwas für den Hund dabei rausspringt. Beim einen halt was angenehmes, beim anderen entgeht er etwas unangenehmem.
So, ich hoffe, ich habe dich jetzt noch neugieriger auf die Thematik gemacht. Denn in besagten Büchern wird das ganz ausführlich dargestellt.
So, und noch ein ganz konkreter Punkt. Du schreibst, dein Hund zieht wie verrückt.
So, und warum zieht er? Weil er gelernt hat, dass Ziehen ihm das gibt, was er möchte. Dein Hund möchte schneller vorwärtskommen, möchte an einen bestimmten Ort, der verheissungsvoll duftet. Und wie kommt man an der Leine am schnellsten dorthin? Ganz richtig, durch ziehen. Dein Hund hat das bei den Vorbesitzern gelernt. Über "positive Verstärkung". Hund zieht, gelangt dorthin wo er hinwill. BINGO.
So, und jetzt kommst Du. Hund zieht, du ruckst an der Leine, Hund kommt durch Ruck neben dich - (jetzt setzt die "pos.Verst." bei Dir ein, Du hattest Erfolg, Hund ist neben Dir, BINGO; dass Hundi im nächsten Moment wieder vorprellt und zieht, merkt dein Unterbewusstsein nicht, das hat verknüpft "wenn ich an der Leine rucke, kommt Hund neben mich" - die Lerngesetze wirken nämlich auch beim Menschen). Im nächsten Moment zieht Hund wieder. Warum? Ganz einfach, weil er nicht begriffen hat, was der Leinenruck ihm sagen will.
Schau dich mal um, wie viele Leute noch nach Jahren an den Leinen ihrer Hunde reissen, und Hundis stören sich nicht daran. Teilweise sogar mit Stachelhalsbändern um. Was haben diese Hunde je gelernt?
Wenn Du deinem Hund das Ziehen abgewöhnen willst, ist die dauerhafteste Methode, zum Baum zu werden. Du gehst spazieren, Hund an der Leine. Sobald Hund zieht, sprich die Leine straff wird, wirst Du "zum Baum". Du bleibst stehen und wartest so lange, bis Hund von sich aus die Leine etwas lockerlässt. Also etwas zurückgeht, nachgibt wie auch immer. Aber die Aktion muss vom Hund ausgehen. In diesem Moment kommt das Lob. Hierbei ist das Timing sehr wichtig. Soll heissen, sobald die Leine straff wird, bleibst Du stehen, und gibst auch nicht mehr mit dem Arm nach. In dem Moment, wo die Leine straff wird, darf Hund nicht mehr weiterkommen. Also keine paar Schritte nachlaufen, und dann erst stehenbleiben, sondern wirklich in diesem Moment. Und das Lob muss auch in dem Moment erfolgen, wo Hund von sich aus nachgibt. Lob, Leckerlie, Spiel. Das erfordert von Dir volle Konzentration. Aber andererseits, Du erwartest Konzentration auf dich von deinem Hund, dann darf Hund diese Konzentration auch von Dir erwarten.
Vermutlich wirst Du jetzt sagen "dann komme ich ja nie vom Fleck". Stimmt, die ersten Male wirst Du vermutlich keine 10 Schritte weit kommen, wenn Du einen Spaziergang von normaler Länge angesetzt hast. Na und? Ist das dein Problem? Oder das deibes Hundes? Dein Hund wird recht schnell kapieren, was Sache ist. Solange Du konsequent bleibst. Gibst Du einmal nach, und wirst schlurig " heute habe ich keine Zeit, aber morgen ganz bestimmt wieder", hast Du schon wieder verspielt. Ganz einfach deshalb, weil Hund dadurch gelernt hat, dass es evtl. doch geht mit dem Ziehen, und dann wird er ausprobieren, ob und wann es geht. Sprich, das ganze wirft Dich wieder zurück.
Und noch ein Problem, das Du beachten solltest. Ein Verhalten verstärkt ssich kurz vor dem Auslöschen häufig noch einmal. Soll heissen, es kann vorkommen, dass Du eine Besserung merkst, deutliche Besserung, nicht bloss idelle. Und dann auf einmal wird das ganze wieder richtig schlimm mit dem Ziehen. Wenn Du da konsequent bleibst, und diese paar Tage auch noch durchhälst, dürftest Du es geschafft haben.
Wie lange das ganze dauert, kann ich Dir nicht sagen. Hängt von vielen Faktoren ab. Aber jetzt überlege mal. Dein Hund hat 6 Jahre lang gelernt, dass Ziehen okay ist. Und das verlernt man nicht innerhalb von ein paar Tagen. Ich schätze jetzt mal, 6 Monate wirst Du schon einplanen müssen. Selbstverständlich wirst Du nicht 6 Monate lang immer nur ein paar Meter Spazierengehen mit deinem Hund. Ich meine damit, bis er wirklich sicher nicht mehr zieht. JE nach Hund und Konsequenz des Hundeführers kann das ganze länger dauern oder sogar kürzer.
So, jetzt ist aber genug. So viel wollte ich nicht schreiben.
Gruss Cindy