Geschirr oder Halsband?
von Tanja(YCH) am 22. November 2001 08:36
Hallo Cindy,
ich wollte sicherlich nicht alle Vereine verteufeln. Ich bin selber im SV und manchmal auch in Gebrauchshundevereinen.
Es gibt einige Vereine die sind wirklich sehr gut, leider sind die Vereine in meinem Umkreis noch meilenweit davon entfernt. Dort sind leider überwiegend eingefleischte SchH Menschen die schon seit Jahren Hunde über Stachler und Leinenruck arbeiten und es sind kaum junge Leute dort. Ich habe früher auch mit Stachler und Leinenruck - mit Erfolg gearbeitet. Meine Hündin hat SchH 3 und ist bis auf Kreismeisterschaft und auf vielen Wettkämpfen gelaufen.
Bis ich meinen Rüden bekam fand ich an meiner Methode auch nichts auszusetzen. Ich konnte meinen Druck wieder sehr gut durch Lob und Spiel kompensieren und meine Hunde hatten bisher alle freudig gearbeitet. Ben reagierte jedoch auf dem Platz und auch im Privatbereich in Erregungszuständen mit Bellen. Das ging soweit das er die ganze Unterordung über nur am Kläffen war. Ich habe damals auf das Kläffen mit Strafe reagiert (Maulzuhalten, Klaps aufs Maul, Leinenruck usw.) es wurde jedoch immer schlimmer. Zeitgleich wurde er sehr agressiv auf fremde Hunde (ich wieder reagiert Leinenruck, Leinenruck mit Stachler, usw. usw.. ), was bei allen Hunden funktioniert hat, hat bei ihm alles nur noch schlimmer gemacht. Zusätzlich kam bei mir damals auch noch der Ergeiz dazu, ich wollte das er die SchH2 macht, sein gebelle regte mich tierisch auf und die Komentare der Vereinskameraden waren von "den mußt Du mal ordentlich platt machen" bis zu "verkauf den Hund der taugt nix".
Ich kann Dir auch versichern das die Fortbildungseminare an denen ich zu damals teilgenommen habe nichts mit Clickern zu tun hatten. Ich war sogar mal auf einem da wurde Apportieren gezeigt, das hatte schon nichts mehr mit "Muss Apport" zu tun sondern ging schon so ziemlich in Richtung "Zwangsapport". Das ist allerdings schon ca. 5 - 7 Jahre her. Dannach habe ich meine eigene Hundeschule aufgemacht und war im Verein nicht mehr als Ausbilder tätig.
Aber zurück zu Ben, wie gesagt ich kam mit ihm nicht mehr weiter, alle Ausbildungsmethoden schlugen fehl, es wurde immer schlimmer.
Danach habe ich zufällig jemanden kennengelernt die im BHV (Berufsverband für Hundeausbilder und Erzieher) arbeitet. Innerhalb kurzer Zeit wurde es mit Ben besser und ich war von dieser Art auszubilden begeistert. Mir war früher auch nicht bewußt das es meine Hunde schädigt wenn ich sie rucke. Ich war bisher auf mehreren Seminaren des BHV und werde nächstes Jahr dort Mitglied werden. Meine Ausbildungsmethoden habe ich komplett umgestellt.
Nun arbeite ich seit 2 Jahren mit meinen eigenen Hunden und auch in der Hundeschule mit Halti und Clicker und Geschirr und oder breitem Halsband. Meine junge Hündin (8 Monate) zieht überhaupt nicht, sie stresst nicht mit anderen Hunden, geht an jedem Hoftor mit bellendem Hund dahinter neutral vorbei, kommt sofort wenn ich sie rufe - auch wenn gerade am toben mit fremden Hunden ist. Sicher, sie hat auch mal ihre Macken und ist gerade im Flegelalter, aber im großen und ganzen ist sie problemlos. Sie beherrscht die Signale Sitz, Platz (auch auf Entfernung), Fuß, Langsam und Steh. Sie hört mindestens genauso gut wie meine ältere (auf herkömmliche Art ausgebildete) Hündin und würde jetzt schon problemlos die BH bestehen.
Gestern abend war ich mit ihr und meiner älteren Hündin (ihrer Mutter) Gassi, beide am Geschirr und an der langen Leine da es schon dunkel war. Wir waren gut eine Stunde unterwegs. Keiner hat gezogen, es war ein angenehmes ruhiges Spazierengehen. Im Ort nehme ich meine alte jedoch ans Halti da sie noch nicht so ruhig an keifernden Hunden hinter Toren vorbeigeht. Meine Anka hat bis zum Alter von 4 1/2 Jahren -trotz SchH 3 (Unterordung meistens zw. 95 und 98 Punkte) und trotz Stachler beim Gassigehen immer wieder gezogen. Das lief dann ungefähr so ab, LANGSAM - Leinenruck - Hund ging für einige Zeit langsamer - ich war abgelenkt - Anka zieht wieder, nicht so stark und ich lasse es durchgehen - Anka zieht jetzt wieder heftiger - LANGSAM - Leinenruck usw. usw.
Heute läuft sie im Geschirr und zieht auch dann nicht mehr wenn ich abgelenkt bin.
Das verdanke ich dem BHV, den Seminaren des BHV und meiner Freundin die mich überhaupt dazu gebracht hat meine Methoden zu überdenken. Prüfungen sind mit mittlerweile egal, was nutzt mir ein Hund mit SchH 3 mit dem ich im normalen Leben nur Stress habe.
Es gibt natürlich auch viele Private Hundeschulen die keinen Schuss Pulver taugen. Jeder kann ein Gewerbe anmelden und eine Hundeschule eröffnen. Ich habe in meiner am Anfang auch mit Leinenruck etc. gearbeitet. Bei uns im Umkreis gibt es auch einige die nichts taugen (mit 60 Hundeführeren Kreistraining, Trainer steht mit Megaphon in der Mitte etc.) Man muß sich schon informieren, am besten erst mal ohne Hund, bevor man in eine Hundechule geht.
Aber selbst die beste Hundeschule kann nichts machen, wenn der Hundebesitzer es nicht umsetzen kann oder inkonsequent ist. Wenn ich z. B. mit meinen 2 Hündinen so einen entspannten Spaziergang machen will, dann muß ich im Vorfeld mit beiden mehrere Wochen getrennt Gassigehen und intensiv üben, erst dann kann ich mit beiden gehen. Wenn ich will das meine Hunde nicht mehr ziehen dann muß ich ab sofort konsequent sein und sie nicht mehr ziehen lassen. Das kann bei einem Hund der gelernt hat zu ziehen die ersten 14 Tage sehr anstrengend sein.
So jetzt muß ich leider was arbeiten und habe keine Zeit mehr das Forum mit einer noch längeren Antwort zu strapazieren.
Liebe Grüße
Tanja
PS: Du glaubst gar nicht was man sich für einen dicken Panzer zulegen muß wenn man auf einen eingefleischtem SchH Platz mit Geschirr, Halti und Clicker auftaucht. Ich habe dann immer das Glück das meine Hunde meistens besser arbeiten wie die der anderen und so wird es bei mir schnell akzeptiert, aber als Anfänger bist Du da erstmal aufgeschmissen.