von Briard-Jutta(YCH) am 19. März 1999 17:33
Liebe Sandra,
für viele Hundebesitzer ist die Entscheidung Rüde oder Hündin eine Frage des persönlichen Geschmacks. Um Dir bei Deiner Auswahl zu helfen, schreibe ich einige Dinge zu Rüden und Hündinnen, die sich tendenzmäßig beobachten lassen. Allerdings sollte Dir klar sein, daß individuelle Ausprägungen, insbesondere des Verhaltens, stark von genetischen Faktoren, Aufzucht und Umgang mit dem Hund abhängen und aus diesem Grund ziemlich differieren können. Wie in einer anderen Meldung schon geschrieben, kann man immer wieder Verhaltensweisen, die einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden, auch beim jeweils anderen ausgeprägt wiederfinden.
Zunächst was zur "Biologie": Hündinnen werden läufig, meist zweimal im Jahr, bei manchen Rassen auch nur einmal. Die erste Läufigkeit findet in der Regel zwischen 6 und 11 Monaten statt, tendenzmäßig bei kleinen Rassen eher früher, bei großen später. Damit ist die Hündin geschlechtsreif und beginnt, sich vom Junghund zum erwachsenen Hund zu entwickeln. Diese Entwicklung ist wieder größenmäßig beeinflußt und liegt bei kleinen Rassen bei ca. 13 Monaten, bei sehr großen bei 3-4 Jahren. Die Läufigkeit dauert etwa 3 Wochen, während dieser ist die Hündin für einige Tage tatsächlich empfängnisbereit. Vor diesen Tagen blutet die Hündin, manche Hündinnen recht stark, andere weniger, wieder andere lecken sich so gründlich, daß das Bluten kaum auffällt. Mit einem Schutzhöschen kann man die Wohnung leicht sauberhalten. Draußen muß es aber ab, da die Hündin sich sonst nicht lösen kann. "Interessant" riechen tut die Hündin aber während der gesamten Läufigkeit, manchmal bereits einige Zeit vorher. Die "Belästigung" durch Rüden kann also ein Weilchen anhalten. Es gibt auch Hündinnen, die während des ganzen Jahres das gesteigerte Interesse der Rüden wecken. Zwar gibt es Ausnahmen, aber im Normalfall neigen läufige Hündinnen nicht gesteigert zum Weglaufen. Viele markieren aber vor und während der Läufigkeit durch verstärktes Harnabsetzen den interessierten Rüden den Weg zu ihrem Zuhause, was für eine Menge Besuch sorgen kann, besonders wenn im Umfeld viele Rüden leben.
Hündinnen sind in der Regel etwas kleiner und zierlicher als Rüden, was bei Rassehunden allerdings deutlicher auffällt als bei Mischlingen. Besonders die Langhaarigen haben meist weniger Fell.
Rüden sind das ganze Jahr paarungsbereit. Aber auch bei ihnen gibt es Unterschiede in der individuellen Ausprägung. Manchen muß man eine läufige Hündin direkt vor die Nase setzen, damit sie sich interessiert zeigen, anderen reicht der vage Duft von irgendwo, um sie in Aufregung zu versetzen. Die zweite Kategorie kann recht anstrengend werden, wenn man in der Umgebung von Hündinnen lebt. Es gibt Rüden, die dann jede Möglichkeit zum Ausreißen nützen, jaulen, bellen und das Futter verweigern.
Die meisten Rüden sind größer, kräftiger und schwerer als Hündinnen und sehen optisch "beeindruckender" aus.
Hat man keine Zuchtambitionen (ohnehin nur bei charakterlich und standardgemäß einwandfreien Rassehunden aus guter Zucht sinnvoll), kann man in beiden Fällen eine Kastration in Erwägung ziehen. Bei Hündinnen, die vor der ersten Läufigkeit kastriert werden, sinkt nachweislich das Risiko von Gesäugetumoren. Die Kastration ist allerdings weder ein Mittel, sich die Erziehung zu ersparen, noch sollte sie einfach der Bequemlichkeit halber durchgeführt werden.
Zum Verhalten: Hündinnen gelten als weniger dominant, anschmiegsamer und leichter zu erziehen. Manche Züchter geben deshalb an Anfänger nur Hündinnen ab. Dominanzverhalten und Erziehbarkeit sind aber sowohl rassebedingt, als auch abhängig vom Engagement und der Konsequenz des Besitzers. Ich würde also eher bei der Auswahl der Rasse darauf achten, einen Hund zu finden, der zu Deinen Bedürfnissen und Fähigkeiten paßt, als mich auf die Wahl des Geschlechts zu konzentrieren. Wenn diesbezüglich das Geschlecht eine Rolle spielt, dann vielleicht für Hundesportler, die während der Läufigkeiten dem Hundeplatz fernbleiben müssen.
Ein sinnvolles Kriterium für die Wahl einer Hündin oder eines Rüden erscheint mir die Umgebung zu sein: Je nachdem, welches Geschlecht sich vorzugsweise in der Nachbarschaft befindet, kann sich die Entscheidung danach richten. Aber auch da wirds schon wieder kompliziert: Habe ich eine Hündin in einer "Rüdenumgebung", sorge ich u.U. für Aufregung während der Läufigkeit. Dafür wird es bezüglich der Verträglichkeit aller Wahrscheinlichkeit nach kaum Probleme geben. Für Rüden gilt Ähnliches, mit dem Unterschied, daß ich bei einem engagierten "Liebhaber" möglicherweise in einen Ganzjahres-Dauerstreß gerate. Die Begegnungen zwischen erwachsenen Rüden verlaufen oft streitbarer, dafür kommt es seltener zu ernsthaften Verletzungen (immer vorausgesetzt, die Beteiligten sind ordentlich sozialisiert). Erwachsene Hündinnen unter sich raufen seltener, können sich aber im Falle eines Falles viel heftiger attackieren und auch verletzen. Es gibt sowohl Rüden als auch Hündinnen, die, wenn sie erwachsen sind, mit Hunden gleichen Geschlechts unverträglich werden. Manche Rassen neigen stärker dazu als andere. Garantien in die eine oder andere Richtung gibt es nie.
Was vielleicht auch noch eine Rolle spielen könnte, ist die "Pinkelpraxis". Hündinnen setzen sich beim Gassigehen einmal hin und machen ihren See (die Läufigkeit evtl ausgenommen). Rüden heben an vielen Stellen ihr Bein und zaubern auch nach einem Dreistundenspaziergang immer noch ein paar Tropfen irgendwoher. Zum einen dauern also die Gassigänge mit Rüden oft etwas länger, zum anderen werden sich Liebhaber von Rosen und sonstigen hübschen Gartenpflanzen mit der Anwesenheit eines Rüden u.U. bald von ihren Pflanzen verabschieden dürfen. Bei Langhaarhunden kommt noch hinzu, daß sich die Rüden ständig die Bauchhaare bepinkeln, was einen etwas eigenwilligen Geruch zur Folge hat, wenn nicht öfter der Gartenschlauch zum Einsatz kommt.
Du siehst, es gibt wenig "Definitives", was die Entscheidung für das eine oder andere Geschlecht betrifft. Was ich persönlich sehr viel wichtiger finde, ist, sich VOR dem Kauf eines Hundes intensiv mit Literatur über Rassen und deren Bedürfnisse, Verhalten von Hunden und ihrer Erziehung zu beschäftigen. Niemals sollte man sich rein von der Optik oder der bequemen Erreichbarkeit eines Hundes leiten lassen. Nur weil die Huskywelpen des Nachbarn sooo süß sind, darf man keinen von ihnen zu sich holen. Einer der Hauptgründe für Probleme zwischen Hund und Halter ist die Wahl des falschen Hundetyps, ein zweiter fehlende Konsequenz und Umsicht in der Erziehung, nicht der Umstand, daß es sich um eine Hündin oder einen Rüden handelt.
Liebe Grüße und ein glückliches Händchen in der Wahl Deines vierbeinigen Gefährten,
Jutta