von Wiebke(YCH) am 15. September 2003 08:04
Hi,
Angesprungen werden von einem Hund, den man fürchtet, den man vor allen Dingen nicht einschätzen kann, auf das, was er viellicht vorhat: ich kann mir gut vorstellen, wie graußlich das ist.
Komischerweise scheint das bei Hunde-'Nicht-Liebhabern' gerade so abzulaufen, wie bei Katzen-Allergikern: ausgerechnet dem sitzen sie auf dem Schoß, ausgerechnet dem laufen sie nach. Warum? Weil unsere Körpersprache ihnen da etwas vermittelt, was sie verkehrt deuten. Wie das?
Angewidertes Wegwenden des Gesichts (Hapschiii! Keuch!) versichert der schüchternen Katze: hier ist ein höflicher Mensch, der weis, wie man sich unaufdringlich nähert bzw. um Annäherung ersucht. Da kann ich mich hinwagen. Wenn man sich dann als Allergiker hütet, die sich nähernde oder bereits auf dem Schoß Platz nehmende Katze zu berühren - natürlicherweise wird man da nicht noch Haare durch Streicheln aufwirbeln wollen - findet sie sich in dieser ersten Annahme bestätigt und geht gar nicht mehr weg. ....!
Soweit die Katze - und nun zum Hund: hier wirkt gebannt-ängstliches Anstarren ('ob er wohl kommt?' 'Hoffentlich ist das nicht wieder so ein Anspringer?!')auf Hunde bedrohlich. Diese Bedrohung wollen sie - gerade wenn es sich um einerseits unsichere, anderseits sehr kontaktfreudige jüngere Tiere handelt, dann oft durch übertrieben freundliches Gehabe entschärfen.
Anspringen ist ein Welpenverhalten zum freundlich Stimmen von 'Vorgesetzten'. Beim erwachsenen, ungeschulten Hund ist Anspringen oft zu erwarten, wenn er sagen will: 'ich bin Dein Freund, bitte tu mir nichts' und evt. wenn er einen gleichzeitig für unsicher hält, da er sich sonst meist erst Mal eher unterwürfig von seitlich unten nähert, bevor er – wenn überhaupt - freundlich anbiedernd an einem hoch hüpft.
Wenn man sie dann bei ihrer Annäherung mit einer etwas unsicheren Körpersprache abzuwehren versucht, meinen sie leider, einen mit ihrem Benehmen schon fast überredet zu haben und verstärken ihre Bemühungen. Und schon wird man 'angehupft' - was jemand, dem der Hund egal gewesen wäre, viel seltener passiert.
Weitere Abwehr mit Sprache oder 'Schubsen' verstärkt dieses für uns oft sehr unangenehme Verhalten eines Hundes, dass in seiner Sprache 'aktive Unterwerfung' = 'ich bin so klein, wie ein Baby, schau, wie ich Dir schön tue, tu mir nichts' bedeutet, leider nur noch mehr.
Wenn er einmal damit angefangen hat, wird es schwierig: Je energischer wir da reagieren, desto mehr beharrt der Hund darauf, uns beschwichtigen zu wollen - auf eben die aufdringliche Art, die wir nicht mögen.
Ein anderer Hund, der nicht auf unterwürfiges Baby-Getue eines anderen Hundes, der vielleicht sogar viel größer ist, als er selber, würde da nur ungerührt seines Weges weiter gehen - durch den sich anbiedernden Hund durch sozusagen - und ihn nicht beachten. Allenfalls ließe er ein sehr leises drohendes Knurren aus seinem Bart ertönen, das sagte: 'nun werd' mal nicht lästig, du Jungspund!' Er würde wirklich nicht mal hinschauen, nicht mal den Kopf in Richtung des annähernden 'Spielers' bewegen!
Wenn Du mal Gelegenheit hast, Hundebegegnungen aus sicherer Position zu beobachten, achte doch mal darauf, wie so 'ältere grummelige Hundeherren' das schaffen, nicht belästigt zu werden...
Besonders die sogenannten Calming Signals = Friedenszeichen der Hundesprache, sind dabei sehr wirksam: sie 'bremsen' Hunde in ihrer Annäherung aufeinander, die dann viel höflicher abläuft bzw. in einem 'gleichgültigen' einverständlichen aneinander Vorbeigehen verebbt.
Das klappt erstaunlich gut und so kommen die meisten Hunde sehr gut miteinander aus, ohne das sie Begegnungen aufgenötigt bekommen von anderen Hunden, die sie nicht haben möchten.
Erstaunlicherweise verstehen sie auch uns, wenn wir ihre Körpersprachsignale verwenden, wir brauchen dafür durchaus nicht auf alle Viere hinunter zu gehen... schon die Blickrichtung - wegschauen, so schwer das fällt, wenn man Angst hat... - und sich langsam im Bogen sich abwendend und 'beschäftigt tuend' vorbeizubewegen, hält Hunde vor unerwünschten Annäherungen zurück.
Interessanterweise haben wir selbst durchaus die gleiche Körpersprache, verwenden die gleichen Zeichen, wenn wir an einem unsichereren Ort einem Menschen begegnen, dem wir nicht ganz trauen... wir schauen weg, schauen auf die Uhr, vertiefen uns in ein Schaufenster - im Spiegelbild unauffällig dessen Vorbeigehen überwachend, bewegen uns betont langsam, wechseln evt. so beiläufig (ja nicht weglaufen) die Strassenseite, als ob wir da drüben was zu tun hätten usw.
Genauso machen es Hunde. Sie lesen schnuppernd am Boden, wo wir uns im Bahnabteil die Zeitung vors Gesicht hielten, bewegen sich betont langsam, im Bogen umeinander herum, schauen weg, richten sich evt. dabei sogar recht imponierend auf - ich bin stark und sicher, mit mir kann man nicht hermblödeln - um gleichzeitig durch ihre zeitlupenartigen Bewegungen und das Abwenden Friedlichkeit und Unbedrohlichkeit und Gleichgültigkeit zu demonstrieren.
So können wir uns - mit Wissen um und Anwendung von 'Calming Signals' - sehr gut auf Hundeart verständlich machen.
Buch und Video dazu wird hier in der Werbung angeboten. Auch sonst hilft uns Wissen um Hundeverhalten sehr weiter, um abschätzen zu können, wie wir das Verhalten eines Hunde jeweils in unserem Sinne beeinflussen können. Studium von 'Hundeverhalten', eines Buchs von B. Schöning hilft einem da z.B. sehr schön weiter.
Wenn man es schafft, sich auf Hundeart ganz dezent mit dem betreffenden Hund zu verständigen, einer Methode, die kein wie auch immer geartetes Risiko in sich birgt, wird es viel leichter und angenehmer mit sich annähernden Hunden zurecht zu kommen und sie zum Ausweichen zu bringen..
Ich kann mich nicht erinnern, dass mich ein fremder Hund, den ich nicht angesprochen oder angelächelt habe vorher oder mit dem ich per Blick kommuniziert hätte, jemals angesprungen hätte, ja sich auch nur genähert hätte.
Ganz ohne Anwendung von Hundekörpersprache klappt das selten, denn es ist richtig: In der Jugend lernen viele Hunde heute leider nicht (mehr), dass das Anspringen keine geeignete Verhaltensweise gegenüber Menschen ist.
Seinem Hund 'höfliche menschen-verträgliche Benehmensspielregeln möglichst früh beizubringen wäre für alle guten Hundebesitzer da schon dringend, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.
Pfefferspray ist sicher eine Abwehr-Möglichkeit - wenn auch allerdings eine ungesetzliche. Man setzt sich mit seiner Verwendung nicht nur Angriffen der Hundebesitzer aus (wenn Dein unerzogenes Kind sich freundlich im Park einer 'Tante' näherte und bekäme nicht nur einen Anscnautzer, sondern eine Ohrfeige, dass es ins Krankenhaus müsste...), sondern auch einer polizeilichen Anzeige.
Dass der betreffende Hund bei der nächsten Begegnung dann vermutlich nicht mehr freundschaftlich - wenn auch lästig und beängstigend - sondern ersthaft wütend auf einen zuläuft, liegt leider auch durchaus im Bereich der Möglichkeiten. Schon das sollte einem von der Anwendung von Gewalt zurückhalten.
Irgendwo hieß es mal: wo Wissen aufhört, beginnt Gewalt... also ich würde immer auf 'Wissen' setzen, wenn es um Einflußnahme auf bestimmte Situationen geht! Wenn man über dem 'Lesen' der Hundekörpersprache dann zunehmend lernt, diese Viecher einzuschätzen und sie auf für sie verständliche Art zu manipulieren, wird möglicherweise als erwünschter Nebeneffekt die Angst vor ihnen nachlassen:
If you talk to the animals,
they will talk to you,
and you will know each other.
If you do not talk to them,
you will not know them.
And what you do not know,
you will fear...
Chief Dan George
Quelle: "On Talking Terms With Dogs", Turid Rugaas, die Entdeckerin und Autorin von 'Calming Signals'
toitoitoi für eine kommunikative Zukunft mit den Hunden - auch wenn man sie weiterhin am liebsten auf viele Schritte Entfernung von sich hält...
Wiebke
www.hunde-erziehung.at