Lernt ein erwachsener Hund noch? :: Clickertraining

Lernt ein erwachsener Hund noch?

von ChristineHd(YCH) am 17. Februar 2001 22:57

Für alle, die fragen, ob denn bei einem erwachsenen Hund noch Erziehung möglich wäre und weiter für alle auch, die einen bestimmten Artikel kürzlich in einer "Fachzeitschrift" gelesen haben, der da besagt, daß Hunde, die in der Sozialisierungsphase immer im Zwinger gelebt haben, immer dumme Hunde bleiben werden und das glauben:

Bambuli hat schon wieder was Neues gelernt. Innerhalb von 2 Minuten!
Ich habe Leckerli und Clicker hergerichtet und gewartet, was mir die Kleine anbietet (außer betteln). Ein Pfoti zuckte, C+B. Pfoti zuckte wieder, C+B. Pfoti zuckte, kein C+B, Pfoti leicht gehoben, C+B. Pfoti ganz gehoben!, Joker.
Heute nochmal versucht, Leckerli geholt und Clicker, Bambuli kommt, setzt sich hin und Pfoti, C+B, hat das auch wiederholt.

Alle Hundebesitzer also, die immer noch meinen, ein erwachsener Hund lasse sich nicht mehr erziehen oder nur der Welpe sei ein "guter" Hund: Denkt ein wenig nach und gebt Euren Hunden eine faire Chance.
Bambuli ist übrigens kein Einzelfall und sie alle leben uns Menschen genau das Gegenteil von dem vor, was selbsternannte "Fachleute" immer und immer wieder predigen.

ChristineHd

von Martin + Mirko(YCH) am 17. Februar 2001 23:59

Grüß Dich Christine,

sicher wirst du dich wundern, wenn ich dir ein wenig widerspreche.

: Für alle, die fragen, ob denn bei einem erwachsenen Hund noch Erziehung möglich wäre und weiter für alle auch, die einen bestimmten Artikel kürzlich in einer "Fachzeitschrift" gelesen haben, der da besagt, daß Hunde, die in der Sozialisierungsphase immer im Zwinger gelebt haben, immer dumme Hunde bleiben werden und das glauben:

Ich weiß jetzt nicht welchen artikel in welcher zeitschrift du meinst. Wie der name "sozialisierungsphase" schon sagt, geht es um das lernen von sozialverhalten. Das ist ein intensives lernfenster, das später nur noch einen spalt offen steht. Das wird dann schmerzlich bewusst, wenn man hunde kennt, die optimal aufgewachsen sind und andere, die erhebliche defizite haben. Mit "dummheit" hat das absolut nichts zu tun. Wer mit 20 mit dem turnen anfängt, wird kein spitzenturner mehr unabhängig von seiner begabung. Das lernfenster des mortorischen lernens liegt in der kindheit und schließt zum spalt nach der jugend. Wer in der jugend nicht gelernt hat, höflich zu sein, wird es auch später nicht werden.
Aber es besteht kein grund, die hoffnung aufzugeben. Mit Mirko begann ich in seinem 9 lebensjahr mit dem clicker. Als er 10 war, begann ich, sozialverhalten mit einzubeziehen. Vorgestern, er ist nun 11, hat er von sich aus zum ersten mal bei enen rüdenbegegnung gezüngelt, also aktiv beschwichtigt, statt durch "vorfahrt durch erschrecken" die oberhand gewinnen zu wollen. (Das problem besteht nur bei direkter konkurrenz in größe und territorium)
Aber er wird sicher kein therapiehund für andere hunde werden, so wie es Viktor geworden ist, der sein leben in einem zwinger verbracht hat.

: Bambuli ist übrigens kein Einzelfall und sie alle leben uns Menschen genau das Gegenteil von dem vor, was selbsternannte "Fachleute" immer und immer wieder predigen.

Wer ernennt fachleute? Der oder diejenige, die sich bestätigt fühlen? Diese formulierung gebraucht man gern, wenn einem etwas nicht in den kram passt. Manchmal sollte man noch ein zweites oder drittes mal nachfassen. Was ist wirklich dran? Eines sollte man nie verlieren - neugierde.

Ich freue mich sehr über deine und eure fortschritte, aber es gibt auch andere erfahrungen, die nicht so positiv sind. Und es liegt nicht immer nur an dem menschen, der den hund führt.

tschüß Martin & Mirko

von Tharin(YCH) am 18. Februar 2001 00:35

Hallo!

: Ich weiß jetzt nicht welchen artikel in welcher zeitschrift du meinst.
: Wie der name "sozialisierungsphase" schon sagt, geht es um das lernen
: von sozialverhalten. Das ist ein intensives lernfenster, das später
: nur noch einen spalt offen steht. Das wird dann schmerzlich bewusst,
: wenn man hunde kennt, die optimal aufgewachsen sind und andere, die
: erhebliche defizite haben. Mit "dummheit" hat das absolut nichts zu
: tun. Wer mit 20 mit dem turnen anfängt, wird kein spitzenturner mehr
: unabhängig von seiner begabung. Das lernfenster des mortorischen
: lernens liegt in der kindheit und schließt zum spalt nach der jugend.
: Wer in der jugend nicht gelernt hat, höflich zu sein, wird es auch
: später nicht werden.

Sofern alle Signale zur Höflichkeit erlernt sind und der Hund von sich
auch auch gar nicht höflich sein möchte.

Unterstellt man aber z.B. dem Hund, in seiner Herkunft als Rudeltier auf
"Hormonie" im Rudel bedacht zu sein, möchte der Hund höflich sein, weiß
nur nicht wie.
Und glaubt man weiterhin Turid Ruags, so sind die Beschwichtigungsgesten
angeboren, nicht erlernt, müssen natürlich evtl. erst wieder ausgegraben
werden, wenn sie gut zugeschüttet wurden durch "tolle Lebensumstände".

Tharin

von ChristineHd(YCH) am 18. Februar 2001 11:27

Hallo Marin
:
Das wird dann schmerzlich bewusst, wenn man hunde kennt, die optimal aufgewachsen sind und andere, die erhebliche defizite haben.

Ja richtig, ich habe aber inzwischen zuviele solcher Hunde kennengelernt und auch mit ihnen "gearbeitet": Nur ein minimaler Bruchteil war nicht in der Lage, neu zu lernen.

Das lernfenster des mortorischen lernens liegt in der kindheit und schließt zum spalt nach der jugend. Wer in der jugend nicht gelernt hat, höflich zu sein, wird es auch später nicht werden.

Man kann auch das nicht so allgemein halten. Mein alter wurde Höflich, zu Mensch und Hund, obwohl er am Anfang Welpen umgebracht hätte und so manchen Menschen am liebsten vielleicht auch, er konnte zumindest recht gut den ansetzenden Biß richtung Kehle.
:

: Ich freue mich sehr über deine und eure fortschritte, aber es gibt auch andere erfahrungen, die nicht so positiv sind. Und es liegt nicht immer nur an dem menschen, der den hund führt.

nein, das behaupte ich auch nicht. Doch was sagen Artikel dieser Form aus: Im Klartext: Nur der Welpe ist ein guter Hund. Auch, wenn ein Hund viele Defizite haben kann, so entspricht es nicht meiner Erfahrung, daß diese Defizite absolut irreversibel sind.
Sehr viel schwieriger sind jene Hunde m.E, die vom Menschen "falsch erzogen" wurden, so wie mein Alter, der früher wohl auf Menschen gehetzt wurde. Gelebtes Fehlverhalten umzuerziehen ist weitaus anstrengender, als ein unbeschriebenes Blatt mit Leben zu füllen.
Das ist ganz einfach meine Erfahrung, nicht nur mit meinen eigenen Hunden.
Natürlich hat Bambuli ihre Defizite, motorisch, in Bezug auf Verhalten mit Hunden und besonders natürlich gegenüber Menschen. Und doch sollte es doch nachdenklich stimmen, daß ein Hund, der 6 Jahre den Menschen nur als Feind erlebt hat, sich dennoch dann an einen Menschen binden kann und auch Fremde immer weniger Angst auslösen. Ist alles so absolut irreversibel? Ich denke nein. Wirklich "normal", wie ein unbedarfter Welpe wird sie vermutlich nie werden. Dennoch haben gerade solche Hunde eine echte Chance verdient, die viele aber genau wegen solcher Artikel oder auch Welpenmania nie erhalten.
:
Narürlich sollte es solche Hunde im Grunde gar nicht geben dürfen, jeder Züchter sollte sich bemühen und später jeder Halter. Aber das ist in der Realität eben nicht so. Und deswegen werde ich mich auch weiterhin genau für diese Hunde einsetzen und nachdem ich nun den dritten Problemhund habe und nun zum dritten Mal erfolgreich resozialisiere, werde ich auch weiterhin sagen: Die Welpenzeit ist zwar viel, aber nicht alles.

Was meine ich mit selbsternannten Fachleuten: Menschen, die irgendwann einmal starr eine Meinung gebildet haben, weil sie was gelesen haben und das nun unreflektiert in die Welt setzen. Ich bin nur dort ein Fachmensch, der das erlebt hat, nicht nur einmal, sondern wiederholt, der sich damit auseinandersetzt bis ins kleinste Detail.

Du darfst mir ruhig widersprechen und es wundert mich auch nicht. Davon leben Diskussionen und wichtig ist doch nur, daß man damit etwas erreicht, Menschen/Hundehalter zum Nachdenken anregt. Ich möchte niemanden rigoros überzeugen, aber zumindest in den Raum stellen.
Wie gesagt, ich habe viele Jahre Erfahrung mit Hunden, nicht nur mit meinen. Deshalb auch mein Posting. Es wäre vermessen gewesen, wäre Bambuli der einzigste Hund dieser Art gewesen, die ich live erleben durfte.
Liebe Grüße
ChristineHd

von Martin + Mirko(YCH) am 18. Februar 2001 12:31

Grüß Dich Christine,

vorsicht, vorsicht, wenn du offene türen einrennst ..... nicht dass du mir zur hintertür wieder hinausfegst.

: Sehr viel schwieriger sind jene Hunde m.E, die vom Menschen "falsch erzogen" wurden, so wie mein Alter, der früher wohl auf Menschen gehetzt wurde. Gelebtes Fehlverhalten umzuerziehen ist weitaus anstrengender, als ein unbeschriebenes Blatt mit Leben zu füllen.

Genau da sind wir uns völlig einig. Deswegen kommt man mit einem Kaspar Hauser hund besser zurecht als mit einem seit welpenbeinen"erfolgreich verdorbenen" hund.

: Natürlich hat Bambuli ihre Defizite, motorisch, in Bezug auf Verhalten mit Hunden und besonders natürlich gegenüber Menschen. Und doch sollte es doch nachdenklich stimmen, daß ein Hund, der 6 Jahre den Menschen nur als Feind erlebt hat, sich dennoch dann an einen Menschen binden kann und auch Fremde immer weniger Angst auslösen. Ist alles so absolut irreversibel?

Wenn du "alles absolut" schreibst, hast du immer recht. Irreversibel heißt eigentlich "es ist NICHT ALLES umkehrbar / auszulöschen". Jedenfalls gebrauche ich den begriff in diesem sinne. Wenn du bei www.clicker.de die geschichten von Viktor und von Arko liest, ist wohl offensichtlich, dass wir an der gleiche front kämpfen.

:Ich denke nein. Wirklich "normal", wie ein unbedarfter Welpe wird sie vermutlich nie werden. Dennoch haben gerade solche Hunde eine echte Chance verdient, die viele aber genau wegen solcher Artikel oder auch Welpenmania nie erhalten.

Leider weiss ich immer noch nicht, von welchen artikel du redest.

: Die Welpenzeit ist zwar viel, aber nicht alles.

So ist es. Wenn ich die junghunde im rudel des tierheims sehe, kann ich sie viel besser beurteilen, als wenn ich irgendwo einen welpen kaufe. Und menschen kennen sie alle und mit anderen hunden kommen sie zurecht. Wenn man jetzt noch etwas sensibel umwelterfahrungen sammelt, hat man einen prima hund.

: Du darfst mir ruhig widersprechen und es wundert mich auch nicht.

Wenn ein missverständnis auftaucht, hat das immer einen grund. Hier war es wohl der kritikpunkt "kann nicht mehr (oder doch)lernen". Es kommt darauf an, was und in welchem ausmaß. Ich differenziere hier aus gutem grund. Sonst kommt wieder aus irgendeiner ecke der satz "nimm nur einen clicker, und alles löst sich in wohlgefallen auf." Das kann sogar zutreffen, aber nicht, wenn man sich keinen soliden hintergrund erarbeitet hat. Und man braucht stehvermögen. Das hast du und das nehme ich für mich in anspruch. Aber es gibt genug leute, die nach drei tagen den clicker weglegen, weil ja kein wunder geschehen ist.

tschüß Martin & Mirko


von Martin + Mirko(YCH) am 18. Februar 2001 12:47

Grüß Dich Tharin,

: Unterstellt man aber z.B. dem Hund, in seiner Herkunft als Rudeltier auf "Hormonie" im Rudel ...

Das ist DIE begriffskreation, die mir zum verständnis des rudels noch gefehlt hat. Sorry, einfach klasse! smiling smiley))

:... bedacht zu sein, möchte der Hund höflich sein, weiß nur nicht wie.

Höflichkeit ist doch ein synonym für konfliktvermeidung. Und das möchten die meisten sozialen lebewesen, sofern sie nicht andere erfolgsrezepte gelernt haben.

: Und glaubt man weiterhin Turid Ruags, so sind die beschwichtigungsgesten angeboren, nicht erlernt, müssen natürlich evtl. erst wieder ausgegraben werden, wenn sie gut zugeschüttet wurden durch "tolle Lebensumstände".

Darum geht es. Wenn der hund langsam statt schnell auf den anderen zugeht, wenn der hund den kopf eine winzigkeit zur seite wendet...
Click sagt dem hund, OK und das darauf eingehende verhalten des anderen (mal als sicher vorausgesetzt) bestärkt ihn in dieser richtung. Nur was man erfährt kann man verknüpfen.

tschüß Martin & Mirko

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