All die ungeliebten Hunde.
von Attila(YCH) am 31. Mai 2000 22:44
Liebe Besucher dieses Forums,
augenscheinlich habe ich mit meiner Frage "Soll ich meine Hündin abgeben?" eine hitzige Debatte ausgelöst. Das spiegelt sich in den zahlreichen Antworten wider, die ich im Forum selbst oder via E-Mail erhielt. Wenige dieser Antworten näherten sich meinem Problem objektiv, versuchten überhaupt, die Beweggründe der Frage zu verstehen; die meisten verurteilten mich vorab für die Schlechtigkeit, daß ich auch nur im entferntesten den Gedanken hegte, einen Hund abzugeben... So etwas tut man doch nicht!
Die Haltung, die aus solchen Stellungnahmen spricht, scheint mir, mit Verlaub, etwas selbstgerecht. Sollte ich es in diesem Forum wirklich nur mit Menschen zu tun haben, denen Tierliebe und Herzensgüte seit ihrer Geburt mit dem Löffel eingeflößt worden sind? Ich kann es nicht glauben. Hat wirklich KEINER von Euch jemals einen Hund abgegeben? Habt Ihr immer alle Eure Hunde behalten, gleichgültiog welche Scherereien sie Euch machten? Hunde, die Eure Wohnung zerstörten? Hunde, die aggressiv gegen Euch oder andere Menschen waren und blieben? Hunde, die sich nicht erziehen ließen? Hunde, die nicht allein bleiben konnten? Hunde, die unverbesserliche Streuner waren? Hunde, die keine Versicherung mehr versichern wollte? Hunde, die von Anfang an krank waren und Euch ein Vermögen kosteten? Oder Hunde, die nur schläfrig herumlagen wie Schildkröten und Euch einfach langweilten? Liebe Leute, ich kann's nicht glauben, daß Ihr alle diese Hunde behalten habt. Ihr gebt's nicht zu, das ist es.
Oder WARUM sind unsere Tierheime voll mit herrenlosen Hunden? Warum sind die Zeitungen voll mit Anzeigen "Gegen Schutzgebühr in gute Hände abzugeben"? Hunde zu Hunderten, zu Tausenden. Sie alle waren einmal "sehr lieb", als sie ins Haus kamen, und wurden dann doch irgendwo festgebunden. Die sie festgebunden haben, hielten sich auch alle zu irgendeinem Zeitpunkt für Hundefreunde. Aber dann geschah etwas - das Geld ging aus, die Frau lief fort, der Sohn blieb in der Schule sitzen -, und sie wußten nicht mehr ein noch aus.
Sicherlich gibt es viele unberufene Hundehalter, die vom Wesen des Hundes, seinen Bedürfnissen, seiner Haltung und Erziehung keine Ahnung haben. Solche Leute sind überfordert, sobald sich erste Widerstände einstllen. Dann muß der Köter, der aus einer Laune heraus angeschafft wurde, eben wieder verschwinden. Ich habe selbst über Jahre immer wieder Hunde aufgenommen, die ein neues Zuhause suchten. Sie waren arme, gequälte Kreaturen, die glücklich schienen, sich für ein paar Tage an mich anschließen zu dürfen, ehe sie dann wieder in andere Hände kamen. Wahrscheinlich ist sogar die Mehrzahl der Hundehalter unberufen, nicht geeignet, einem Tier gerecht zu werden und ihm ein gutes Zuhause zu bieten. Irgendwann sind sie des Hundes überdrüssig und geben ihn ab. So scheinen die meisten Hunde im Laufe ihres Lebens mehrere Herren zu haben.
Es wird Euch vielleicht nicht gefallen, aber seid Ihr einmal auf die Idee gekommen, daß es auch schlechte Hunde gibt? Was soll das nur sein, ein schlechter Hund, werdet Ihr empört fragen. Nun, ein schlechter Hund ist ein Hund, der auf Grund seiner instabilen Gesundheit, seiner geringen Vitalität und seines mangelnden Behauptungstriebes nicht in der Lage wäre, in freier Natur zu überleben, noch Aufgaben zu erfüllen, die sich ihm im Rahmen seines Zusammenlebens mit dem Menschen stellen. Ein Hund ist kein Schoßtier, das verhätschelt und dickgefüttert wird, und auch kein Ersatz für Kinder oder den fehlenden Lebensabschnittspartner. Ein Hund ist ein Wesen, das ursprünglich in Symbiose mit dem Menschen Tätigkeiten ausführte, welche diesen in seiner Arbeit und seinen täglichen Verrichtungen untrstützten: als Helfer bei der Jagd, Wächter über Haus und Hof, Hüter und Schützer der Herden, Begleiter und Kamerad auf einsamen Wanderungen. Hunde, die keine Aufgaben wahrzunehmen imstande sind, bleiben Luxusgeschöpfe, "die Lieblinge der Damen", ausschließlich denkbar in einer Welt, die alles im Überfluß hat und sich zur Unterhaltung ein paar skurrile Tiere hält (wo der Hund nicht genügt, sind es dann eben Wolfshybriden, Affen, Krokodile oder Raubkatzen). Mir fehlt jedes Verständnis und jede Sympathie für jene überzüchteten Rassen, deren bedauernswerte Vertreter schließlich als Spielzeuge verzogener Kinder irgendwo vor sich hindämmern.
Mir fehlt aber auch jedes Verständnis für einen "Tierschutz", der seine Hand über degenerierte, mißgebildete und damit letztlich leidende, ihrer Kräfte beraubte Tiere hält. Ein Welpe, dessen vitale Schwäche schon unmittelbar nach der Geburt erkennbar wird, gehört eingeschläfert, anstatt mit der Flaxche aufgezogen und an unwissende Halter vertickt zu werrden. DIESE Halter sind es, die das kränkelnde und schwächelnde Tier später abgeben werden, und nicht ihnen sind Vorhalte zum machen, sondern denen, die es gezüchtet und verkauft haben. Es wurde aber im Raum Bonn vor ein paar Monaten allen Ernstes eine Schäferhündin mit mißgebildeten Hinterläufen "zur Vermittlung" ausgeschrieben, die überhaupt nicht stehen konnte - und auch für sie fand sich irgendein Trottel, der wahrscheinlich ganz gerührt war über sein gefühlsduseliges Engagement und gar nicht wußte, was da auf ihn zukam. "Selbstlos hat er sich des Tieres angenommen." Und sie, die nie richtig Hund sein kann - was wird wohl aus ihr werden? Das ist mißverstandene "Humanität", bedenkenlos auf Tiere übertragen.
Wieviele Welpen mögen aus Zufallsverbindungen entstehen, wenn der Nachbarrüde, ungeachtet seiner genetischen Defekte, die Haushündin beglückt? Wie sehen wohl Schäferhund-Basset-Mischlinge aus, und wer möchte sie haben? Was geschieht mit all diesen Welpen? "Günstig abzugeben", auf dem Umweg über einen Halter ins Tierheim. "Aber sie sind doch so niedlich..." Pustekuchen. Sie taugen nichts, das ist die Wahrheit.
Nein, liebe Leute, ich glaube Euch Eure grenzenlose Tierliebe nicht. Jeder, der einen Hund sein eigen nennt, möchte einen guten Hund haben. Einen, der ihm Freude macht. Einen, auf den er stolz ist. Einen, auf den er sich verlassen kann. Der Hund soll ihm weder Ärgernis noch Last sein. "Für den heutigen Menschen, namentlich den landabgeschnittenen Städter, ist die Liebe zum Hund ein greifbarer Ausdruck unserer ewigen Erbsehnsucht zur Urheimat Natur, die letzte Gefühlsbrücke zur Mutter Erde, die den meisten verblieben." So schrieb Max von Staphanitz, und, Hand aufs Herz, pulsiert nicht ein wenig davon in jedem ehrlichen Hundehalter, wenn er mit Wohlgefallen auf seinen vierbeinigen Freund blickt?
Der Hund als Ware im kapitalistischen Wettbewerb, als Statussymbol für Neureiche, als Sportgerät für zukurzgekommene Egomane, aber auch als verweichlichtes Kunstgeschöpf oder Dauertierarztfall unter dem Deckmantel der "Tierliebe" - das kann's ja wohl nicht sein.
Mit Grüßen, Attila