Und wieder geht's ums Jagen . Sorry!
von Werner Thies(YCH) am 04. Juni 2002 09:50
Guten Morgen !
(Ich habe eben noch einmal gelesen, was ich da alles geschrieben habe. Es ist ziemlich lang geworden. Bitte: Lest es trotzdem !)
Niña ist eine jagende (!!!) Mischlingshündin. Sie hat zwar einen spanischen Namen, stammt aber aus Kreta, wo sie ihr 1. Lebensjahr durchs Leben gestreunt ist.
Schwer verletzt kam sie nach Berlin, an der Kleintierklinik der FU ist sie ganz ordentlich zusammengeflickt worden. Doch sie hatte (und hat) am rechten Vorderbein einen kompletten Nervenabriss. Ein kleiner Krüppel, aber topp-fit, fröhlich, sozial zu Mensch und Tier - und und und. Seit gut einem Jahr lebt sie bei uns. Ein Super-Hund, wenn nicht das Jagen wäre.
Ich habe (fast) alles gelesen, was hier schon über jagende Hunde geschrieben wurde. Trotzdem noch mal ein Posting.
Den Trick mit der Schleppleine habe ich im vergangenen Sommer aufgegeben. Da war sie mir einmal entwischt, in den Wald gelaufen, und irgendwann hörte ich den Hund kläglich winseln. Sie hatte sich um eine junge Kiefer gedreht, und die Leine kam nicht mehr los. Niña war gefangen. Das möchte ich nicht noch mal erleben müssen. (Wer weiß, ob ich sie beim nächsten Mal wieder hören kann.)
Im letzten Sommer war auch alles nicht so schlimm. Da grub sie (mit ihrem 1 Bein) die tollsten Löcher, immer hinter den Mäusen her. Die fing sie dann auch und fraß sie. So weit, so schlecht. Wir haben ihr den "Spaß" gelassen, weil wir dachten, das habe sie auf Kreta gelernt (und fürs Überleben dort auch dringend gebraucht).
Nun hat sie aber in diesem Frühjahr die Hasen entdeckt.
Wir wohnen am nördlichen Stadtrand von Berlin. Gleich nebenan gibt's die tollsten (natürlichen !!!) Wiesen mit allem was das Menschen- und Hundeherz begehrt. Und Wälder.
Wenn Niña "nur" hinter den Mäusen her ist, reicht ihr die Wiese. Aber die Spur der Hasen (es sind wirklich Hasen) führt in den Wald. Ich glaube nicht, dass sie jemals einen ausgewachsenen Hasen erwischt. Einen jungen aber vielleicht. Außerdem ist der Lebensraum der Tiere ohnehin schon immer kleiner geworden, und wir wollen deshalb nicht schuld daran sein, wenn sich gerade diese Tiere bedrängt fühlen und deshalb noch weiter zurückziehen. Wohin sollten sie sich dann auch ? Es gibt ja kaum noch Lebensraum für Hasen.
Also: Niña weiß ziemlich genau, dass sie nicht abhauen soll. Aber sie ist schlau. Jeden Morgen treffen wir immer eine kleine Hundemeute. 10 Minute spielt sie mit den anderen Hunden, und dann merke ich schon, wie sie die Entfernung zu mir und den anderen langsam, aber stetig beim Spiel vergrößert. Irgendwann ist sie so weit weg, dass sie auf Rufen und Locken nicht mehr reagiert.
Ich versuche natürlich, ihr zuvor zu kommen und ihr zu zeigen, dass sie nicht unbeobachtet ist. Regelmäßig rufe ich sie zu mir. Dann kriegt sie natürlich auch eine Belohnung. Aber das klappt eben nicht immer.
Manchmal ist sie nur 5 Minuten weg. Manchmal (seltener...) eine halbe Stunde. Dann kommt sie wieder und findet es ziemlich nett, dass ich noch da bin. Sie wird ja auch ordentlich von mir begrüßt, mit allem Drum und Dran. Loben, jubeln, streicheln, Leckerlie, frisches Wasser ...
Halt - Bleib - Sitz - Hier - und so weiter: Niña kennt alle Befehle und befolgt sie im "Normalfall" ziemlich perfekt. Doch wenn sie bei Jagen ist oder zum Jagen will, dann hat sie kein Ohr. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Selbst wenn ich ihr das tollste Leckerlie direkt vor die Nase halte, wenn ich versuche, es ihr spielerisch noch zusätzlich schmackhaft mache: Sie verschmäht es.
Kein Hundekuchen (nicht mal ein Wiener Würstchen) kann mithalten, wenn Niña auf ihrem Trip ist.
Seit ein paar Wochen gehen wir - nach dem Toben mit den anderen Hunden - an der Leine durchs "gefährliche" Hasenland bis zu einem Weg, an dem rechts und links Wildzäune stehen. Da erst lasse ich sie frei. Dort ist auch hohes Gras und Buschwerk, in dem sie laufen darf und läuft - und schnuppert, Mäuse aufstöbert, gräbt, jagt.
(Vielleicht sollte ich ihr das auch nicht erlauben ???)
Dort üben wir dann. Rufen, Kommen, Belohnung usw. Auf dem Rückweg muss sie wieder an die Leine. Wenn sie die Hasen wittert oder eine konkrete Spur riecht, will sie natürlich weg. Ich sage dann "Nein" und versuche sie zu mir zu locken. Wenn's klappt, bekommt sie Lob und Belohnung.
Aber manchmal (meistens) bringt das Locken gar nichts. Sie will in den Wald oder auf die Mitte der Wiese, wo die Hasen liegen. Und ich weiß: Wäre die Leine nicht da ...
Zuhause ist Niña ein völlig anderer Hund. Ich arbeite meist im heimischen Büro (bin freier Journalist). Wohin ich auch gehe: Es dauert keine Minute und Niña ist bei mir, legt sich neben mich und genießt die Nähe. Ich hab's ja oben schon geschrieben: Sie ist ein toller Hund.
Trotzdem würde ich das wilde Tier in ihr gern zähmen.
Und es wird alles "noch schlimmer": Demnächst kommt ein zweiter (junger) Hund ins Haus. Ein kleiner Border Collie mit ein bisschen Labrador in den Genen. Direkt aus Irland, wo das arme Tier sonst wohl die Spritze bekommen hätte (aber das ist eine andere Geschichte).
Also: Niña ist ein kleiner Problemhund. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch doch noch einen ultimativen Tipp.
Und: Jetzt kommt der zweite Hund, der ja auch viel (!!!!) Aufmerksamkeit braucht.
Wahrscheinlich haltet ihr mich (uns) für verrückt. Wahrscheinlich sind wir verrückt.
Zwei Fragen am Ende: Was machen wir mit Niña und ihrer Jagdleidenschaft ? Was machen wir, damit sich der neue (kleine) Hund nicht all die Dummheiten abguckt ?
(Worauf wir uns mit einem Border Collie einlassen, wissen wir. Wir hatten schon mal einen - und waren alle glücklich, auch der Hund.)
Danke für Lesen ! Danke fürs Helfen !
Beste Grüße aus Berlin:
Werner