Hallo Elke,
naja, was Du da beschreibst, sind alles erlernte Verhaltensweisen. Da hat ein Tier ein Ziel und versucht verschiedenes, um es zu erreichen. Eine Verhaltensweise hat Erfolg und wird deshalb in Zukunft in ähnlichen Situationen wieder gezeigt. Das sieht für uns Menschen im Endergebnis dann wie "lügen"/"täuschen" aus, hat aber de facto nichts damit zu tun, zumindest nicht, wenn wir von "Lügen" im menschlichen Sinne reden. Ich als Mensch kann zu jemandem sagen "Schau mal dort!" und gleichzeitig in die Ferne zeigen, der Angesprochene guckt in die gezeigte Richtung und derweil schnappe ich mir das, was er gerade auf dem Teller hatte. Diese Verhaltensweise ist mir nicht angeboren, und ich habe eine derartige Situation auch noch nie zuvor erlebt. Trotzdem kann ich als als Mensch SOFORT eine solche Verhaltensweise zeigen, weil ich im Kopf sozusagen virtuell Probehandeln konnte, in meiner Phantasie das ganze schon mal ausprobieren konnte (Ich stellte mir vor: "Was macht er jetzt, wenn ich xy sage, welche Folgen hat das für mich usw."
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Tiere dagegen (außer Primaten) können NICHT virtuell probehandeln (zumindest nicht, soweit wir wissen), und daher können sie auch nicht "lügen". Ein Hund lebt nur in seiner aktuellen Gegenwart. Er kann sich nicht vorstellen "was wäre, wenn". Genau eine solche Vorstellung müßte er aber aufbauen, um zu "lügen" (er müßte sich denken können, was wäre wenn er dies und jenes täte). Was wir beobachten ist nichtsdestotrotz sehr beeindruckend - aber es sind eben keine "bewußten" Täuschungsmanöver. Am Beispiel meines Hundes: Wir hatten bis zu ihrem Tod oft eine nette Rauhhaardackeline zur Pflege bei uns. Beide Hunde hatten denselben Lieblingsliegeplatz. Zusammen dort liegen ging zwar auch, war aber nur auf Initiative der Dackelfrau zu machen. Wenn also Liegeplatz von Dackel besetzt traute sich Meine nicht mehr, sich dazu zu legen, geschweige denn, den Dackel zu vertreiben. Sie will aber gerne dorthin, schleicht auch drum herum - um eines Tages heftig kläffend zur Tür zu sprinten, als ob draußen die spannenste Sache der Welt abginge. Korry (der Dackel) sofort auf und bellend hinterher, während Leika an der Tür Theater macht. Beide kläffen ne Minute zusammen die Luft vor der Türe an, anschließend bricht Leika abrupt ab, wendet sich um und trabt flott auf die Decke, wo sie sich niederläßt. Habe ich mehrmals beobachtet, war zum Schießen. Trotzdem hat mein Hund dabei sicher nicht gedacht "Was mach ich nur, was mach ich nur, um Korry da runter zu bekommen" sondern vielmehr einiges versucht - wahrscheinlich hat sie beim ersten Mal tatsächlich was draußen verbellt (Schneemänner, Schatten, alles schon dagewesen), hat dabei Korrys Reaktion erlebt (und vor allem, daß die Decke freiwurde und sie sich legen konnte = positive Verstärkung) und, da sie ziemlich clever ist und schnell verknüpft, daß dann nochmals versucht und wieder Erfolg gehabt (wie beim Clickern, wenn sie nochmal eine Verhaltensweise zeigt, weil sie schon mal Erfolg damit hatte). Dabei muß sie keine Sekunde darüber nachgedacht haben "Was tut Korry, wenn ich kläffend zur Tür renne" - sie muß nicht im Kopf Probehandeln und braucht auch keine Phantasie. Sie muß "nur" korrekt verknüpfen. Jeder Mensch (und wohl auch die meisten Schimpansen usw.) hätten das auf Anhieb hinbekommen, ohne Try and Error. Verstehst Du den Unterschied?
Allerdings gibt es in der Tat in anderen Zusammhängen Beobachtungen an freilebenden Rabenvögeln, die erstaunliche Startegien ohne Versuch und Irrtum in ihnen völlig neuen Situationen auf Anhieb, ohne Versuch und Irrtum zeigen. Das ist planendes Verhalten, virtuelles Probehandeln (wie der Affe, der Kisten aufstapelt, um an eine von der Decke hängende Banane zu kommen). Insofern steckt vielleicht doch mehr in den Viechern, als wir glauben... aber bei Hunden wurde sowas meines Wissens noch nie beschrieben.
Liebe Grüße
josh