Rudelführung Teil II
von Inge + BC(YCH) am 29. Juli 2002 04:22
: Mir fällt auf, dass viele Hundeführer bei Nicht-Befolgen oder zögerlichem Befolgen eines Signals ihrerseits schnell mit dem Dominanzbegriff bei der Hand sind und meinen, ihr Hund zeige ihnen sozusagen mangelnden Respekt dadurch.
: Ich sträube mich einfach gegen dieses "ein gegebener Befehl muss um jeden Preis durchgesetzt werden und zwar sofort". Oder denkt ihr, Hunde tragen auf diese Weise Machtkämpfchen mit uns aus?
Hallo Anja,
welche fatalen Folgen es haben kann, einen nicht korrekt ausgeführten Befehl mit "Machtkampf" und "mangelndem Respekt" gleichzusetzen, will ich mal anhand eines Erlebnisses zeigen, das ich mit einer noch unerfahrenen Ersthundehalterin hatte. Ihr Hund - ein Rotti - stammte aus dem TH, war zum Zeitpunkt der Übernahme ca. 1 Jahr alt. Von "erfahrenen" Freunden wurde der Halterin gesagt, sie müsse mit "dieser Rasse" sehr hart umgehen. Folge: der Hund wurde für die geringsten "Vergehen", wie z.B. nicht korrekt ausgeführte Kommandos, mittels völlig falsch verstandenen Alpha-Wurfs auf den Rücken geschmissen und minutenlang angebrüllt.
Eines Tages bat mich diese Hundehalterin, mit ihr die Schrittfolge der BH durchzugehen, da sie wegen der LHVO die BH ablegen wollte. Dabei ergab sich folgende Situation: beim "Sitz aus der Bewegung" und anschließender Rückkehr zum Hund legte sich die Hündin jedesmal sofort ins Platz, sobald sich die Halterin dem Hund näherte. Was machte die Halterin? Schmiss den Hund wieder auf den Rücken! Ich brauchte das nur einmal zu sehen, um zu erkennen, wo das Problem lag: die Hündin hatte bereits gelernt, dass es jedesmal, wenn ihre Halterin geradewegs auf sie zukam, Saures gab und legte sich daher schon ins Platz, um damit ein Calming Signal auszusenden - was die Halterin aber als Ungehorsam interpretierte. Ich sagte ihr das auch, aber sie wollte es nicht glauben. Daraufhin ging ich mit ihr eine Wette ein, um zu beweisen, dass ich recht hatte: ich wettete, dass die Hündin sitzen bleiben würde, wenn sie bei der Rückkehr nicht in ganz gerader Linie, sondern in leichtem Bogen zum Hund zurückginge und dabei nicht die Hündin anschauen, sondern zur Seite gucken würde. Damit fiel das Bedrohliche für die Hündin weg. Und siehe da - es klappte auf Anhieb, die Hündin blieb im Sitz! Damit war der Beweis erbracht, dass der vermeintliche "Machtkampf" in Wirklichkeit nichts weiter als Angst war! Leider hat diese Hündin das Vertrauen in ihre Halterin schon so weit verloren, dass sie sich auf dem Agility-Platz über fast kein Hindernis wagt. Da muss jetzt viel Aufbauarbeit geleistet werden, die gar nicht nötig wäre, denn diese Hündin ist eines der arbeitsfreudigsten Tiere, das ich kenne. Wie schade, dass hier durch falsche Interpretation des Hundeverhaltens so viel kaputt gemacht wurde!
Gruß
Inge + BC