von ausnahmsweis anonym(YCH) am 13. Mai 2001 15:18
Hi Attila, mal zum Nachdenken über Stolz
- und damit niemand meint, ich müsse mich hier mit diesem Artikel brüsten und wolle Lob einheimsen, deshalb ausnahmsweis anonym -
Mein Hund läßt sich alles gefallen wie Gabies Hund - kein Ärger wegen Alltäglichkeiten und Irrtümern. Befehle läßt er sich in meiner Gegenwart auch von jedem geben, solange ich nichts anderes signalisiere. Er schreitet auch nicht ein, wenn mich jemand versehentlich anrempelt o.ä.
Wenn ich ihn in der Öffentlichkeit kurz allein lasse (zur Vermeidung von Diebstahl ohne Halsband und Leine), weicht er jedermann aus - läßt sich nicht anfassen. Und - so verfressen er sonst ist und von jedermann Leckerchen nimmt - er läßt sich auch mit Futter nicht wegführen. Erst wenn ich wieder da bin. Aber er knurrt auch niemanden an und wenn es eng wird, weicht er aus.
Aber er hat schon mal unter Beweis gestellt, daß er - wenn es darauf ankommt - mich verteidigt (ob sich selbst allein auch, das weiß ich nicht und probiere es auch nicht). Und diese Person wurde in der Bedrohung mir gegenüber bis dahin weder laut noch handgreiflich. Auch ich stand ruhig, in der Hoffnung, daß alles gut ausgehen würde, wenn ich nicht durchdrehe. Daß mir das Herz bis zum Halse schlug, hat mein Hund wohl bemerkt, ob mein Gegenüber auch, das weiß ich nicht. Aber es war ein Moment vor der Eskalation. Mein Hund wußte ohne große Geste, daß die Sache sehr ernst war. Ausgebildet ist er nicht als Schutzhund sondern als Rettungshund. Er, der bisdahin im Umfeld herumschnüffelte, stand plötzlich vor mir - ohne daß ich ihn gerufen hatte, da ich gar nicht an ihn als Schutz dachte, denn dazu hatte ich ihn nie angeschafft: ganz ruhig, nur eine kleine Bürste an den Schultern, Rute oben, Blick gerade auf den Mann gerichtet und knurrte tief und deutlich. Sein Maul bestand nur aus einigen gefletschten Zähnen. Der Mann guckte noch einen Moment, wandte sich wortlos weg und ging weg. Mein Hund ging schnüffeln. Kein Nachsetzen nichts. Die Situation war geklärt. Mir reicht das und sogar mehr als das - nicht einmal das hätte ich von meinem Hund erwartet, aber daß er sich so verhielt, ist mir ein Geschenk. Ich traue mich heute einiges nachts, was ich früher allein nicht gewagt hätte, da ich weiß, daß ich im Notfall einen Partner an der Seite habe - aber ich habe ihn, auch in etwas brenzligen Situationen, die in manchen Gebieten der Großstadt öfter vorkommen können, nie mehr gebraucht. Von weitem hätte sicher kein Mensch den Ernst der Situation erkannt und wäre zu Hilfe geeilt. Mein Hund, der sonst so duldsam ist, konnte den Unterschied aber erkennen.
Er ist sonst kein Überhund - hat Angst vor allerlei Dingen und reagiert z.T. übernervös auf Geräusche u.ä.. Da braucht er meine Unterstützung, dann zeigt er sich ruhig. Aber er ist auf Menschen gut sozialisiert und hat Vertrauen. Er hat kapiert im Alltag, daß man sich nicht gegen jede Unannehmlichkeit aggressiv zur Wehr setzen muß (weder als Mensch noch als Hund ;-)))) und daß man dabei durchaus nicht seinen Stolz verlieren muß. Es spricht von vielmehr vom Stolz des Überlegenen, wenn man die kleinen Fehler seiner Umwelt großmütig übersehen kann und sich bei echter Gefahr stellt und diese in die Flucht schlägt. Aber Omis und Kinder beißt man nicht. Kleine Kinder auch dann nicht, wenn sie mal probieren, ob man ihm auf die Rute stehen kann. Klar tut ihm das weh, aber er überläßt die Klärung der Situation mir - und ich enttäusche ihn nicht. Aber es ist sicher sinnvoller, wenn ich dem Kind klarmache, daß es das nicht tun darf, weil der Hund auch Schmerz empfindet und wenn ich aus einem Kind, das Tiere quält, das Ansinnen, ihn streicheln zu dürfen hervorlocke, als wenn mein Hund die Sache mit einem Biß regeln würde. Außer einem eingeschläferten Hund und einem vielleicht irgendwann erwachsenen grausameren Tierquäler hätte die Welt davon nichts. Und wurdest Du im Bus oder in der Straßenbahn noch nie von jemanden fast umgeworfen, der sich selbst nicht halten konnte - Opi, Omi.... weil der Busfahrer rücksichtslos anfuhr oder anhielt. Wenn das Deinem Hund passiert - gehört es zu Deinem Stolz, daß sie dann zubeißen?
Mir tun Deine Hunde leid, wenn sie sich von solchen Vorfällen derart angegriffen fühlen, daß sie sich gleich wehren müssen. Meiner verspannt auch kurz - auch wenn er ausweicht o.ä. Aber sein Blick geht dann zu mir. Und wenn ich die Situation freundlich auflöse oder auch bestimmt (Kind zurechtweisen o.ä.) aber ohne Aggression, dann ist er bereit, diese Person an sich heranzulassen und er nimmt nach kurzer Prüfung freundlichen Kontakt mit ihr auf.
Das ist bei mir echte Rudelführerschaft.
So - das war ein Roman. Aber Dein Satz von den stolzen Tieren hat mich etwas in Rage gebracht.