von Mela(YCH) am 05. Juni 1999 18:53
:
: vor mehr als einem Jahr an einer
: Bundesstrasse im Alter von ca. 12 Monaten aufgegriffen,
: wahrscheinlich ein Husky- oder Schlittenhund/Schäfer-Mischling,
: ohne Halsband (ausgesetzt...), absoluter Alpha-Rüde,
: hat schon diverse Eingliederungsversuche hinter sich,
: keiner hat es länger als zwei Tage mit ihm ausgehalten, Mobiliar
: hat er komplett zerlegt, wurde vom Tierarzt nach bösem Kampf
: mit anderem Rüden zusammengeflickt, hat auch schon Menschen gebissen.
: Ein echter Problemhund also! Nur noch ein paar Wochen bis zur Spritze,
: wenn der Platz für die "Sommerhunde" benötigt wird...
: Trotzdem dachte ich, eine Chance sollte er noch bekommen. So ging ich
: ganz behutsam vor, allein schon deshalb, weil mir unsere dreijährige
: Tochter wichtiger als jeder Hund ist und meine Frau der ganzen
: Sache ohnehin ziemlich skeptisch gegenüber stand.
:
Hallo Harald,
ich würde gerne wissen aus welchen Tierheim Du diesen Hund bekommen hast. Das soll jetzt kein Vorwurf an Dich sein, aber von einer Tierheimleitung erwarte ich im Bezug auf die Vermittlung von Problemhunden (und genau das ist Moritz) ein etwas glücklicheres "Händchen". Ich selbst arbeite auch in einem Tierheim und kann die Vorgehensweise hier in keinster weise nachvollziehen.
Ein Hund, der sich wie o. von der Leitung beschrieben verhält, hat nichts in einer Familie zu suchen, sondern allerhöchstens bei zwei Personen, die sehr viel Erfahrung im Umgang mit Problemhunden haben. Alleine die Tatsache, daß der HUnd´bereits mehrmals vermittelt war und zurückkam ist für ein Tierheim erschreckend. Bevor hier überhaupt eine Vermittlung stattfinden hätte dürfen, hätte der Hund einem Therapeuten vorgestellt werden müssen und dann auch entsprechend dessen Anweisungen therapiert werden müssen. Man hätte Dir und Deiner Familie, aber in allererster Linie dem Hund diese Leiden ersparen sollen.
Bei "Platz" blickte er mich nur fragend an, probierte
: allerlei Kunststückchen um an das Leckerli zu kommen, aber
: auf die Idee, sich hinzulegen kam er nicht. Nach zwei Wochen konnte
: er es. Von da an lernte er Schlag auf Schlag (oder erinnerte er sich?).
Ein Hund kann nur durch Verknüpfung lernen, d. h. bevor der Hund sich nicht hinlegt, darf ich zu Anfang nicht das Lautzeichen "Platz" geben, ansonsten lernt er alles was er an "Kunststückchen" vorführt um an das Leckerli zu kommen - aber nicht das was er soll. Also: immer erst Verknüpfung - dann Hörzeichen!
: Er lief bald ohne Leine und entfernte sich praktisch nie weiter als
: zehn Meter von mir. Regelmässig suchte er den Blickkontakt und ich konnte
: ihn praktisch immer heranrufen. Perfekt wie im Lehrbuch also.
: Wir gingen auch regelmässig auf den Hundeplatz. Es war eine echte Freude
: mit anzusehen, wie er sich mit den anderen Hunden arrangierte.
: Von wegen Alpha-Rüde, der sich in jeden anderen Hund verbeisst!
: Ging ich bei einem Streit weg und rief "komm", hörte er sofort
: auf zu raufen, und lief mir nach. Was will man mehr?
: Ich konnte überhaupt nicht verstehen, dass ein so lernwilliger
: und gehorsamer Hund solch schlimme Dinge gemacht haben soll.
Es gibt viele Hunde, die bei einem neuen Menschen schnell und willig lernen, dann kommt es aber nach einer Zeit von 6-7 Wochen zu einem Lernstop, in dieser Zeit verhält sich der Hund, als hätte er die verlangten Kommandos noch nie gehört (Literatur zu diesem Thema:
Was tu´ich nur mit diesem Hund - Eric H. W. Aldington)
: Spielen konnte er allerdings nur mit Artgenossen, nie mit mir und auch
: nicht mit anderen Menschen. Stöckchen holen, gar Apportieren,
: Tannenzapfen suchen, mit dem Ball spielen oder einen alten Lappen
: abklauen kannte er nicht. Jeder Versuch blieb zwecklos.
: Heute weiss ich, dass das ein Alarmzeichen ist (- s. diverse Bücher
: von E. Trumler).
Mit diesen "Spielen" kannst Du einem Hund das JAGEN beibringen, dabei ist immer absolute Vorsicht geboten.
: Einziges Spiel blieb ein zärtliches "Beissen" in meinen Unterarm
: und vorsichtiges Herumbalgen -- so gut man da als Mensch bei
: 30 Kilo Hund eben mithalten kann.
Auch dieses "Kneifen" würde ich bei einem, wie oben beschriebenen Hund nicht dulden, wenn er nämlich mal einen Schnauzengriff im Gesicht des Menschen zur Maßregelung benutzt, kann das ziemlich nach hinten losgehen.
: Nach ein paar Tagen aber war er schlagartig wie ausgewechselt:
: Ein vorbeifahrendes Auto wurde plötzlich angebellt,
: einem Radfahrer drohend hinterhergelaufen, echte oder vermeintliche
: Tiere im Wald gejagt und das Kommando "Komm" geflissentlich überhört.
: Alles Verhaltensweisen, die er vorher nie gezeigt hatte!
: Als ich ihn von einem Hof holte, weil er nicht kam, knurrte er mich sogar an!
Hatte er vorher nur auf dem Übungsplatz so lammfromm gehorcht oder auch im Feldversuch in Wald und Flur bzw. der Fußgängerzone?
: Da ich mich unter keinen Umständen anknurren lassen will,
: massregelte ich ihn mit beiden Händen durch Hochnehmen und
: anschliessendem Runterdrücken am Hals. Er warf sich dann auch
: auf den Rücken und es schien alles wieder gut.
Hast Du ihn sofort in dem Moment als er sich freiwillig (?) auf den Rücken gelegt hat gelobt?
: Doch der Schein trog! Am gleichen Nachmittag passierte es:
: er löste sich in unserem Garten, was mir natürlich nicht gefiel
: und ich darauf hin (für seine Begriffe) wohl im Ton etwas zu
: harsch reagierte. Er sprang sofort wie wild herum, rannte durch den Garten
: wie von der Tarantel gestochen und nahm die typische
: "spiel-mit-mir"-Stellung ein.
Wie sah diese Stellung bei dem Hund aus, hat er dabei gekläfft, gebellt oder irgendwelche Töne von sich gegeben.
Ich ging darauf ein und es begann das
: inzwischen geübte Beiss- und Umwerfspiel.
: Dabei "biss" er jedoch so fest zu, dass ich mir ohne feste Jacke
: wohl eine ernste Fleischwunde zugezogen hätte. Auch auf "Schluss"
: hörte er erst nach mehrmaliger Wiederholung und sprang selbst danach
: immer noch wie wild durch den Garten. Dabei knurrte er ziemlich furchterregend.
Das meinte ich etwas weiter oben mit "es kann nach hinten losgehen"
: Wir gingen sofort zum Abreagieren raus. Er biss in die Leine,
: attackierte sogar Baumstämme, sprang herum wie ein wilder Hengst
: und verhielt sich extrem aggressiv. So hatte ich ihn noch nie gesehen!
: Das ganze Spektakel dauerte etwa eine halbe Stunde. Mich griff er
: zwar nicht direkt an, aber ich muss gestehen, dass mir ziemlich
: mulmig zumute war. Zum Glück kamen keine Passanten oder andere Hunde vorbei.
Du hättest als Alpha dieses Verhalten nicht hinnehmen dürfen!!! Spätestens zu dem Zeitpunkt hat der Rüde gemerkt, daß Du nicht Alpha
bist....
: Die Leiterin des Tierheimes entschied auch sofort --
: doch letztlich bin ich derjenige, der sein Todesurteil besiegelt hat.
Die Tierheimleitung hat bei diesem Fall einiges falsch gemacht!!!
Das sage ich jetzt mal einfach so, weil es in unserem Tierheim nie zu so einem Vorfall gekommen wäre... wir arbeiten mit unseren Hunden und haben einen tollen "Therapeuten" .
: Es plagt mich die Frage, ob mein Entschluss voreilig war.
Dein Entschluß war der einzig richtige, alleine schon zum Schutz Deiner Familie, die Profis aus dem Tierheim hätten wissen müssen, daß so ein Hund sich nicht in 2 Monaten ändert und ihn in eine Familie vermitteln dürfen - so etwas dauert, oftmals auch Jahre..
: War ich vielleicht zu streng mit ihm?
Zu streng warst Du mit Sicherheit nicht, in einigen o. bereits angesprochenen Situationen vielleicht eher zu nachgiebig.
: Neben Trauer mischt sich aber auch Wut gegen die (Un-)Menschen, die
: diesen sonst so lieben und intelligenten Hund zum psychischen
: Krüppel gemacht und ausgesetzt haben.
Es ist oft nur die Unwissenheit der Menschen, die einen Hund zu dem machen was er ist. Wenn ein Hund dominant ist und die Leute Ihn nicht gleich auf frischer Tat ertappen ist es oft schon zu spät und sie werden mit dem Tier nicht mehr fertig.
Dann folgt der Gang ins Tierheim oder der Hund wird einfach irgendwo entsorgt, damit man sich nicht noch rechtfertigen muß.
Ich würde mich freuen nochmals von Dir zu hören.
P.S. War das Dein erster (Problem)hund???? Hattet ihr bereits andere Hunde?
Gruß,
Mela